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Ulm

DZOK | Jüdisches Ulm | Ulmer Denkstätte Weiße Rose | Bushaltestelle Botan | Friedhof | Gewerkschaftshaus | Zwangsarbeiterlager Wilhelmsburg

DZOK | Jüdisches Ulm | Ulmer Denkstätte Weiße Rose | Bushaltestelle Botan | Friedhof | Gewerkschaftshaus | Zwangsarbeiterlager Wilhelmsburg

Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e.V. – KZ-Gedenkstätte

Von November 1933 bis Juli 1935 befand sich im Ulmer Fort Oberer Kuhberg (erbaut um 1850 als Teil der Bundesfestung Ulm) ein frühes nationalsozialistisches Konzentrationslager für das Land Württemberg. Dort waren mehr als 600 Regimegegner inhaftiert, unter ihnen der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Kurt Schumacher. Die Funktion des Lagers war es, die politischen und weltanschaulichen Gegner durch Terror in ihren Überzeugungen und ihrer Persönlichkeit zu brechen und die übrige Bevölkerung einzuschüchtern.

Unter den reichsweit etwa 80 frühen Konzentrationslagern ist es das einzige in Süddeutschland, das in Gelände und Gebäude noch erhalten ist. Der Obere Kuhberg steht damit exemplarisch für den Übergang von der Demokratie zur NS-Diktatur und für die Anfänge des KZ-Systems, das an Orten wie Dachau, Buchenwald, Mauthausen oder auch im „Stammlager“ von Auschwitz endete.

Ehemalige Häftlinge und engagierte Bürgerinnen und Bürger setzten sich über Jahrzehnte für die Gründung einer Gedenkstätte an diesem authentischen Ort ein. Zu besichtigen sind heute u. a. die unterirdischen Häftlingsunterkünfte und Sonderhaftzellen, die Räume der KZ-Verwaltung sowie eine Dauerausstellung zur Geschichte des Ulmer KZ. Besuchergruppen werden nach Absprache individuell betreut; für Schulklassen steht ein breites Spektrum analytischer und kreativer Lernangebote zur Verfügung.

Die Geschäftsstelle mit Bibliothek und Archiv befindet sich in der Ulmer Innenstadt. Mit zahlreichen Publikationen und Veranstaltungen hat sich das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg als Zentrum kritischer Information zu zeithistorischen und aktuellen Themen sowie als Stätte zivilgesellschaftlicher Diskussion überregional etabliert. Mehr Informationen finden sich dazu auch auf der Webseite.


Text: N. Wenge


Adresse der Geschäftsstelle: Postfach 2066, 89010 Ulm, Büchsengasse 13, 89073 Ulm Tel.: 0731-21312, Fax: 0731-9214056 www.dzok-ulm.de/info@dzok-ulm.de Öffnungszeiten der Gedenkstätte: Sonntags 14.00-17.00 Uhr für Einzelbesucher Offene Führungen: 14.30 Uhr Gruppenbesuche nach Vereinbarung Öffnungszeiten der Geschäftsstelle: Mo.-Do: 9.00-17.00 Uhr, Fr.: 9.00-15.00 Uhr Archiv- und Bibliotheksnutzung nach telefonischer Anmeldung Adams, Myrah: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das KZ Oberer Kuhberg in Ulm, 1933-1935. Katalog zur Ausstellung, Ulm 2002.

„dass es so etwas gibt, wo man Menschen einsperrt“ Das KZ auf dem Oberen Kuhberg. Ein Film von B. Häusle und S. Jonas. DVD, Stuttgart 1995, 33 Min.


Oberschulamt Tübingen, DZOK Ulm (Hg.): „Württembergisches Schutzhaftlager Ulm“. Tübingen/Ulm 2004, Neuauflage 2012/13. (Didaktische Materialien)


Alle Fotos aus dem Archiv des DZOK


Jüdisches Ulm – Die neuzeitliche jüdische Gemeinde und der Weinhof

Bis 1806 durften sich Juden in Ulm nicht ansiedeln. Erst mit der Einführung einer relativen Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit zogen nach und nach jüdische Familien nach Ulm. Den Höhepunkt erlebte diese Entwicklung mit der Einweihung der Synagoge im Jahre 1873 am Weinhof. Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde assimilierten sich sehr schnell in die Stadtgesellschaft und wurden, trotz mancher antisemitischen Anfeindungen, ein wichtiger Teil der Stadtgesellschaft. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Aufstieg der Nationalsozialisten verschlechterte sich die Situation sehr rasch.

Die Ulmer Juden wurden ausgegrenzt und aus dem Geschäfts- und Gesellschaftsleben verdrängt. Im Oktober 1938 wurden alle polnisch-stämmigen Juden in der so genannten „Polenaktion“ in das deutsch-polnische Grenzgebiet deportiert. Kurz darauf wurde in der Reichspogromnacht in der Synagoge Feuer gelegt und die jüdischen Männer wurden im Christophorusbrunnen misshandelt, danach inhaftiert und ins Konzentrationslager Dachau verschleppt. Viele mussten über Monate dort bleiben. Zwei Männer verstarben während bzw. kurz nach der Inhaftierung. Die in der Pogromnacht nur leicht beschädigte Synagoge wurde innerhalb weniger Wochen abgerissen.

In der Folge schlug die bisher bereits starke jüdische Emigration in eine regelrechte Massenflucht um. Die noch in Ulm verbliebenen Juden wurden nach und nach in so genannte „Judenhäuser“ zwangsweise umquartiert und ab November 1941 über Stuttgart in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Als Sammelpunkt diente dabei unter anderem auch das Schwörhaus. Nur wenige überlebten die Lager. Das Gedenkbuch für die Ulmer Opfer des Holocaust verzeichnet 220 Einzelschicksale nach.

An die Leidensgeschichte der Ulmer Juden erinnert heute unter anderem das „Israelfenster“ über dem Eingang des Münsters. Am Weinhof entsteht derzeit die neue Synagoge. In ihrem Umfeld wird auch die Gedenktafel mit den Namen der Ulmer Holocaust-Opfer wieder angebracht werden.


Text: I. Bergmann


Jüdisches Ulm – Juden im Mittelalter

Die jüdische Geschichte Ulms ist durch eine Vielzahl von Brüchen gekennzeichnet und findet seit dem Mittelalter im Spannungsfeld zwischen Aufbau und Zerstörung statt. Jede dieser Phasen hat Spuren im Stadtbild hinterlassen.

Die erste schriftliche Erwähnung geht dabei auf das Jahr 1233 zurück. Die prosperierende Gemeinde hatte ihr geistliches und gesellschaftliches Zentrum auf dem Judenhof. Hier befanden sich die Synagoge mit Mikwe, ein Tanzhaus, ein Gemeindebackhaus und ein Spital. Der Platz war jedoch kein Ghetto. Auch christliche Familien lebten hier. Die Gemeinde wurde aber bereits 1348/49 durch ein Pogrom zerstört. Die Neugründung erfolgte fünf Jahre später und das Zusammenleben zwischen Juden und Christen normalisierte sich teilweise. Der Finanzier Jakob bar Juda, genannt Jäcklin, hatte wesentlichen Anteil an der Ausweitung des ulmischen Territoriums, etwa durch den Kauf Langenaus, in den 1370er Jahren. Von den „Judenschuldtilgungen“ von 1385/90 konnte sich die Gemeinde nicht mehr erholen, zumal sie seit Beginn des 15. Jahrhunderts wirtschaftlich zunehmend verdrängt und schließlich 1499 aus der Stadt vertrieben wurde.

Aber nicht nur am Judenhof, sondern auch am Haus „Rabengasse 7“ sind Spuren erhalten geblieben. An der Hausmauer im ersten Stock ist ein Grabstein mit hebräischer Inschrift eingelassen. Der Stein wurde nach der durch die Stadterweiterung des frühen 14. Jahrhunderts bedingten Auflassung des ersten jüdischen Friedhofs wohl als Baumaterial des mittelalterlichen Hauses verwendet. Weitere Grabsteine aus dieser Epoche finden sich im südlichen Chorturm des Münsters.


Text: I. Bergmann


Quelle: Stadtarchiv Ulm (Hrsg.): Zeugnisse zur Geschichte der Juden in Ulm. Ulm 1991


Quelle: Stadt Ulm (Hrsg.); Ingo Bergmann (Autor): Und erinnere dich immer an mich. Gedenkbuch für die Ulmer Opfer des Holocaust. Ulm 2009



Ulmer Denkstätte Weiße Rose / vh Ulm

Die Ulmer „DenkStätte Weiße Rose“ befindet sich mit ihrer Dauerausstellung „wir wollten das andere“ im Foyer der Ulmer Volkshochschule (vh) und wurde dort am 19. April 2000 eröffnet. Die Ulmer Volkshochschule steht in der Tradition der „Weißen Rose“, da Inge Scholl, die Schwester von Hans und Sophie Scholl, im April 1946 die vh „...im Geiste der Gemordeten“ mit Otl Aicher und anderen gegründet hat. Initiator der Ausstellung ist Franz J. Müller, der 1943 in Ulm Flugblätter der „Weißen Rose“ verteilte und lange Jahre Vorsitzender der „Weiße Rose Stiftung e. V.“ in München war. Die Ausstellung zeigt neben Hans und Sophie Scholl 26 Ulmer Jugendliche, die im Nationalsozialismus auf ihren Verstand gesetzt haben und nicht in Reih und Glied marschiert sind.

Manche waren schlicht eigensinnig, andere leisteten Widerstand. Sie verhalfen Zwangsarbeitern zur Flucht, schrieben und verteilten Flugblätter, verweigerten den Eid auf Hitler, versteckten jüdische Jugendliche in ihren Jugendgruppen, zogen ihre bündischen, christlichen und kommunistischen Gruppen der HJ und dem BDM vor und gerieten auf unterschiedlichste Art in Konflikt mit dem NS-Staat. Die Ausstellung reißt schlaglichtartig junge Individuen aus der Anonymität. Es wird deutlich, dass man nicht mitlaufen musste, wenn man nur bereit dazu war, weiterzudenken. Der Inhalt der Ausstellung ist nahezu zeitlos, denn unabhängig vom historischen Zusammenhang geht es um die Bedeutung von Zivilcourage und politischem Handeln heute.

Für die Dauerausstellung stehen Faltblätter, Ausstellungskataloge sowie Plakate für die Werbung zur Verfügung. Alles erhältlich im Sekretariat der Ulmer Volkshochschule und im Alberts Café im selben Haus.


Text: A: Lörcher


Adresse:

Kornhausplatz 5, 89073 Ulm, Tel.: 0731 153011, Fax: 0731 153050,

www.vh-ulm.de, mail: weisse.rose@vh-ulm.de

Öffnungszeiten (außer Sommer- und Weihnachtsferien):

Montag bis Freitag 8 bis 22 Uhr, Samstag 8 bis 15 Uhr.


Literatur zum Umfeld der Weißen Rose und des Jugendwiderstandes:


Beuys, Barbara: Sophie Scholl. Biographie. München, 2010.


Breyvogel, Wilfried: Piraten, Swings und Junge Garde. 


Jugendwiderstand im Nationalsozialismus. Bonn, 1991.


Hirzel, Susanne: Vom Ja zum Nein. Eine schwäbische Jugend 1933- 1945. Tübingen, 1998.


Jens, Inge (Hrsg.): Hans Scholl, Sophie Scholl. Briefe und Aufzeichnungen. Frankfurt, 1984


Klaus, Martin: Mädchen im Dritten Reich. Der Bund Deutscher Mädels. Köln, 1998.


Klönne, Arno: Jugend im Dritten Reich. Die Hitler-Jugend und ihre Gegner. Köln, 1999.


Scholl, Inge: Die Weiße Rose. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt, 1982.


Barbara Schüler: »Im Geiste der Gemordeten...«. Die »Weiße Rose« und ihre Wirkungen in der Nachkriegszeit. Paderborn, 2000.


Zankel, Sönke: Mit Flugblättern gegen Hitler. Der Widerstandskreis um Hans Scholl und Alexander Schmorell. Köln, 2008.


Opfer der NS-Militärjustiz in Ulm Lehrer Tal: Bushaltestelle Botan

Im Sommer 2012 wurde das Ulmer Deserteur-Denkmal im Lehrer Tal um Informations- und Gedenkstelen für die Opfer der NS-Militärjustiz in Ulm ergänzt. Die Erinnerungszeichen am Ulmer Stadtrand sind jenen Soldaten gewidmet, die sich zwischen 1939 und 1945 dem nationalsozialistischen Angriffskrieg verweigert hatten und die hierfür in Ulm von der NS-Militärjustiz verfolgt und inhaftiert, zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Jahrzehntelang fanden die Wehrmachtdeserteure und „Wehrkraftzersetzer“ kein ehrendes Gedenken. Auch in Ulm blieb ihnen eine öffentliche Anerkennung verwehrt. Nach heftigen Auseinandersetzungen um das Deserteur-Denkmal zur Erinnerung an die Opfer aller Kriege in den späten 1980er Jahren sollte dies erst ein Gedenkbuch aus dem Jahr 2011 ändern. Das Buch führt in die historischen Hintergründe der NSMilitärjustiz in der Garnisonsstadt Ulm ein und beschreibt die lokalen Akteure und Institutionen, bevor es exemplarisch die Lebens- und Verfolgungsgeschichten der Opfer in den Mittelpunkt stellt. Auf seiner Grundlage wurden – auf Initiative Ulmer Bürgerinnen und Bürger und mit Unterstützung der Stadt Ulm und des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg Ulm – in räumlicher Nähe zur historischen Hinrichtungsstätte die Informations- und Gedenktafeln angebracht.


Text: O. Thron


Literaturhinweis: Oliver Thron: Deserteure und „Wehrkraftzersetzer“. Ein Gedenkbuch für die Opfer der NS-Militärjustiz in Ulm, hg. von Nicola Wenge für das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e.V., Ulm 2011, Verlag Klemm + Oelschläger.


Fotos (alle Fotos aus dem Archiv des DZOK)


Gräber als Shoa-Zeugen Abteilung III Neuer Friedhof in Ulm

1899 wurde der jüdischen Gemeinde ein Teil des Friedhofes an der Stuttgarter Str. zur Bestattung ihrer Verstorbenen zugestanden. Dieses Terrain hat 8 Abtlg.. Das Gräberfeld III ist das davon bemerkenswerteste. Bis in die NS-Zeit hinein fanden hier im oberen Teil Kinderbestattungen statt, im unteren Teil finden sich späte reguläre Erwachsenengräber aus der NS-Zeit. In Reihe 7 und 8 dokumentieren karge Grabsteine, kleine gebrannte Ziegel die Verstorbenen der Alterslager der Region. Markant für Feld III sind die Gräber, die das Nachspiel der Shoa dokumentieren: von 1945-49 lebten tausende jüdischer „Displaced Persons“ in Lagern in Ulm. Sie hatten KZs, Todesmärsche und Verschleppung nach Sibirien überlebt – viele starben hier an den Folgen dieser Schrecken. Unter den sichtbaren Gräbern finden sich die von Altersgenossinnen von Anne Frank wie Edith Weinmann (III/5/3) und sehr viele verstorbene Kinder aus den Jahren 46-49: Auswirkungen der Shoa auf die Mütter in der Zeit danach. Die volle Wirklichkeit des Feldes III wird jedoch erst durch die unsichtbaren Gräber enthüllt: zwischen den Reihen 1 u, 2, 4 u.5 und in Reihe 6 liegen viele Tote, meist Kinder, ohne Stein verscharrt. Insgesamt 40 Verstorbene aus der Nachkriegszeit sind hier unsichtbar bestattet. Nichts erinnert bislang an deren Schicksal. 1949 wurden die jüdischen DP-Lager in Ulm aufgelöst – die Erinnerung an die Gräber ging verloren.


Text: Ch. Maihöfer


Quelle: Dokumentation Jüdische Grabstätten auf dem israelitischen Teil des „Neuen Friedhofs“ Ulm, Stadtarchiv Ulm/Schubart-Gymnasium, Ulm 1994


Gewerkschaftshaus: Arbeiterwiderstand, am Weinhof 23

Das Haus am Weinhof 23, ehemals „Gasthaus zum Mohren“, wurde 1920 Sitz der freien Gewerkschaften und ein Zentrum der Ulmer Arbeiterbewegung. Am 2. Mai 1933 wurde das Gebäude zum Schauplatz ihrer Zerschlagung und „Gleichschaltung“ durch die Nationalsozialisten.

Am Vormittag des 2. Mai 1933 besetzten NS-Aktivisten das Gewerkschaftshaus im Rahmen einer reichsweiten Aktion. In Ulm hissten Mitglieder der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) und der SA die Hakenkreuzfahne auf dem Gebäude. Unmittelbar darauf wurden die freien Gewerkschaften ohne jeglichen Widerstand aufgelöst, ihr Vermögen beschlagnahmt und ihre Mitglieder zwangsweise in die am 10. Mai 1933 gegründete „Deutsche Arbeitsfront“ überführt. Auch in das Ulmer Gewerkschaftshaus zog nun der totalitäre Einheitsverband von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein.

Zu diesem Zeitpunkt waren führende Vertreter der sozialdemokratischen Ulmer Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung wie Wilhelm Wirthle, Johannes Weißer oder Leonhard Gerlinger und etwa 40 Mitglieder der Ulmer KPD schon verhaftet. Sie waren auf der Grundlage der „Reichstagsbrandverordnung“ vom 27. Februar in „Schutzhaft“ genommen und in das erste württembergische Landes-KZ Heuberg bei Stetten am kalten Markt verschleppt worden. Am Heuberg und ab November 1933 auch im KZ Oberer Kuhberg in Ulm waren die politisch Verfolgten ohne Rechtsbeistand und unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert.

Das Gewerkschaftshaus – in den Jahren des Nationalsozialismus „Haus der Deutschen Arbeitsfront“ genannt – wurde am 17. Dezember 1944 bei einem Luftangriff auf Ulm vollständig zerstört. Die IG Metall erhielt das Grundstück 1951 durch einen Vergleich zurück und begann mit dem Wiederaufbau. Seit 1954 ist das Haus wieder ein Treffpunkt der Ulmer Gewerkschaften.


Text: Nicola Wenge


Literatur: Schmidt, Uwe: 125 Jahre Gewerkschaften in Ulm. Deutscher Gewerkschaftsbund Region Ulm-Biberach, Ulm 2003. DGB Ulm/Alb Donau (Hg.): Dokumentation der Ausstellung „…gerade Dich Arbeiter, wollen wir“. Nationalsozialismus und freie Gewerkschaften in Ulm, Ulm 2013.


Zwangsarbeiterlager, Wilhelmsburg

Um die dortigen Produktionsstätten vor der herannahenden Ostfront in Sicherheit zu bringen, verlagerte die Firma Telefunken ab Mitte 1944 unter dem Decknamen „Geheime Reichssache Kastanie“ ihr im polnischen Lodz befindliches Zweigwerk auf die Wilhelmsburg nach Ulm. Mit den Fertigungsanlagen kamen zahlreiche polnische, mehrheitlich sehr junge Zwangsarbeitskräfte in die Zitadelle der ehemaligen Bundesfestung, um hier unter unsäglichen Arbeitsbedingungen – leidend unter Hunger, Kälte, psychischer und häufig auch körperlicher Misshandlung – bis zu ihrer Befreiung durch US-Streitkräfte im April 1945 elektronische Röhren für die Luftwaffe und weitere militärische Einsatzbereiche zu fertigen. Auch im restlichen Stadtgebiet und in der landwirtschaftlich geprägten Umgebung hatten insgesamt etwa 14.000, aus den besetzten Gebieten stammende zivile Zwangskräfte und Kriegsgefangene während des Zweiten Weltkriegs als Hilfskräfte in der hiesigen Industrie, im Handwerk, im Handel, im Dienstleistungsgewerbe, in der Landwirtschaft, in der Verwaltung und auch in vielen privilegierten Privathaushalten Zwangsarbeit leisten müssen. Die große Zahl von ihnen stammte aus der Sowjetunion, aus Polen und aus Westeuropa. Ihre größten Arbeitgeber vor Ort waren Magirus (ca. 3.000 Zwangskräfte), die Reichsbahn (ca. 1.800), Telefunken (ca. 1.500), Wieland (ca. 1.400), Eberhardt (ca. 750) und Kässbohrer (ca. 550). Es gab eine Vielzahl weiterer Unterbringungsorte in der Stadt, von denen das „Zwangsarbeiterlager West“ am Roten Berg (bis 2.300 Insassen) und das „Zwangsarbeiterlager Ost“ in der Friedrichsau (über 1.000 Insassen) die beiden größten waren.


Text: Ulrich Seemüller


Literatur: 


Ulrich Seemüller: Industrie, Gewerbe und Handel im Zeichen der Kriegswirtschaft, in: Hans Eugen Specker (Hrsg.): Ulm im Zweiten Weltkrieg (Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm, Reihe Dokumentation, Bd. 6), Ulm 1995, S. 189-239 (hier insbesondere das Kapitel „Die Kriegsgefangenen und zivilen Zwangsarbeiter“, S. 216-228). 


Silvester Lechner (Hrsg.): Schönes, schreckliches Ulm. (DZOK-Manuskripte 3, 1996), Ulm 1996. 


Annette Schäfer: Der Einsatz polnischer und russischer Zwangsarbeiter in Ulm 1939-1945, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte, 59. Jg./2000, S. 273-299.

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