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Friedrichshafen


Ehrenfeld 32: Hauptfriedhof an der Hochstraße | Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus/Fridolin Endraß-Platz | Massenlager für Zwangsarbeiter - Hochstraße / Heinrich Heine-Straße |
Friedrichshafen-Raderach: KZ-Außenlager Dachau, an der Kreisstraße 7742
| Stolperstein für Elsa Hammer


Ehrenfeld 32: Hauptfriedhof an der Hochstraße |  Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus/Fridolin Endraß-Platz | Massenlager für Zwangsarbeiter - Hochstraße / Heinrich Heine-Straße | 
Friedrichshafen-Raderach: KZ-Außenlager Dachau, an der Kreisstraße 7742
| Stolperstein für Elsa Hammer

Ehrenfeld 32: Hauptfriedhof an der Hochstraße 

In den Kriegsjahren 1942-45 wurden Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion  und Polen („Ostarbeiter“) auf einem Wiesengelände außerhalb des  Städtischen Hauptfriedhofs beigesetzt. Erst 1950 ist dieses Feld durch  eine Norderweiterung des Friedhofs als „Ehrenfeld 32“ in die  Friedhofsanlage einbezogen worden. Der am 4. März 1950 im Auftrag der  Sowjetunion am Südrand des sowjetischen Ehrenfeldes errichtete  Sandsteinblock trägt in kyrillischen Buchstaben die Inschrift: „Hier sind 450 sowjetische Bürger begraben, umgekommen in faschistischer Sklaverei. Ewigen Ruhm den Kämpfern für die Freiheit!“  Gleichzeitig wurde dieses Feld, auf dem heute noch 114  Friedrichshafener Kriegstote aus der Sowjetunion ruhen, durch Umbettung  von 339 weiteren Toten aus insgesamt 60 Gemeinden Südbadens,  Südwürttembergs und des Kreises Lindau zu einem Sammel-Ehrenfeld  erweitert: Ehrenfeld für 453 in Süddeutschland ums Leben gekommene  Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion. Im Zweiten Weltkrieg mussten  über 5000 Menschen aus der Sowjetunion in der Friedrichshafener  Kriegswirtschaft arbeiten. Es waren Verschleppte und Kriegsgefangene.  116 sind in den Jahren 1941 bis 1945 umgekommen und ruhen in diesem  Gräberfeld; zusammen mit 337 sowjetischen Kriegstoten aus 80 weiteren  Orten Südbadens, Südwürttembergs und des Kreises Lindau. Der  Gedenkstein wurde von der Sowjetunion 1950 errichtet. Die Gestaltung des  Sammel-Ehrenfelds 32 ging ebenfalls auf sowjetische Wünsche zurück.  Hieraus erklärt sich die unterschiedliche Gestaltung zum benachbarten  Ehrenfeld 19, das ausschließlich für Westeuropäer angelegt wurde. In  einzelnen Gräbern sind mehrere Personen, die sich bei der Umbettung  offenbar nicht mehr von einander trennen ließen, beigesetzt, was eine  sichere Zuordnung einzelner Personen zu den Gräbern nicht mehr zulässt.  Die Schicksale vieler weiterer Zwangsarbeiter sind ungeklärt.


Text: J. Oellers


Literatur: Christa Tholander: Fremdarbeiter 1939-1945:  Ausländische Arbeitskräfte in der Zeppelin-Stadt Friedrichshafen, Essen  2001, S. 454-465.



Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus/Fridolin Endraß-Platz

Mit dem Mahnmal wird seit seiner Einweihung am 29. April 1998 einer  herausragenden Person des örtlichen Widerstands gegen das  nationalsozialistische Unrechts- Regime sowie der Ausbeutung und  Ermordung von Zwangsarbeitern, KZ-Häftlingen und zahlreicher weiterer  Regime-Gegner gedacht. Aus vier Künstler-Entwürfen wurde 1997 das  Skulpturen- Ensemble des Keramikers Klaus Schultze ausgewählt und  umgesetzt. Als Mahnung an die nachkommenden Generationen ist auf einer  Bodenplatte eine Inschrift aufgebracht:

„Den Opfern des Nationalsozialismus, Einheimischen und Fremden  aus vielen Ländern Europas. Ihr Leid verpflichtet uns zu Wachsamkeit für  Menschenrechte und Menschenwürde.“

In Friedrichshafen gab es zwei Arten des politisch organisierten  Widerstands: Der kommunistische Widerstand um die Stuttgarterin  Liselotte „Lilo“ Herrmann (1909-1938) , welcher die Dornier-Arbeiter  Artur Göritz (1907-1938), Stefan Lovász (1901-1938) und der aus dem  Ortsteil St. Georgen gebürtige Josef Steidle (1908-1938) angehörten.  Alle vier wurden am 20. Juni 1938 im berüchtigten Zuchthaus Berlin-  Plötzensee hingerichtet. Eine weitere Widerstandsgruppe bildeten die  gewerkschaftlich orientierten Eisenbahner um Fridolin Endraß,  Vorarbeiter im Friedrichshafener Eisenbahn- Ausbesserungswerk, der  seinen Widerstand ebenfalls mit dem Leben bezahlte. An seinem Wohnhaus  ist folgende Gedenktafel angebracht:

„Hier wohnte der Widerstandskämpfer, Fridolin Endraß Geboren am  5.3.1893 in Mariabrunn Er arbeitete und wirkte in Friedrichshafen als  Eisenbahner und Gewerkschafter Fridolin Endraß baute ab 1937 unter  süddeutschen Eisenbahnern eine Widerstandsgruppe gegen das  nationalsozialistische Unrechtsregime auf. Er wurde 1938 von den Nazis  verhaftet, 1939 zum Tode verurteilt und am 23.2.1940 in  Berlin-Plötzensee hingerichtet“


Text: J. Oellers


Literatur: Gerhard Raichle: Fridolin Endraß, in: Die  „ausgesperrte“ Geschichte: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung  und des Nationalsozialismus in Friedrichshafen, 3., veränd. Aufl.,  Friedrichshafen 1986, S. 257-273. (Geschichte am See; 26). Ditte  Clemens: Schweigen über Lilo: die Geschichte der Liselotte Herrmann,  Ravensburg 1993

 


Massenlager für Zwangsarbeiter - Hochstraße / Heinrich Heine-Straße 

Im Zweiten Weltkrieg beschäftigten Stadtverwaltung, Firmen und  Landwirte zeitweise oder dauernd ausländische Arbeitskräfte, welche die  Friedrichshafener Rüstungsindustrie und Ernährungsgrundlage aufrecht  erhalten sollten. Unter dem Begriff „Fremdarbeiter“ wurden zunächst  zivile ausländische Arbeitskräfte zusammengefasst, mit dem Begriff  Zwangsarbeiter sind jedoch spätestens seit Juni 1941 insgesamt ca. 14  000 zwangsweise rekrutierte Männer, Frauen und Kinder gemeint.

Die hohe Anzahl an Zwangsarbeitern ist vor allem der ansässigen  Kriegswirtschaft zuzuschreiben und setzt sich aus mindestens 28 Nationen  und Staatenlose zusammen: Algerien, Ägypten, Belgien, Bulgarien,  Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Jugoslawien, Kroatien,  Lettland, Liechtenstein, Marokko, Niederlande, Norwegen, Persien, Polen,  Rumänien, Schweiz, Serbien, Slowakei, Sowjetunion, Spanien, Türkei,  Ungarn und den USA. Mit weit über 5 000 Zwangsarbeitern bildeten  „Ostarbeiter“ aus der Sowjetunion, also Russen, Ukrainer oder  Weißrussen, den größten Anteil. Mit Abstand folgten dann die  „Westarbeiter“, also Franzosen und (ab 1943) italienische  Kriegsgefangene.

Diese Massenquartiere für Zwangsarbeiter befanden sich auf dem  Zeppelin-Werftgelände („Lager Hochstraße“), in Allmannsweiler und an  zahlreichen weiteren Orten und wurden u. a. für die kriegswichtigen  Rüstungsfirmen Dornier Metallbauten, Luftschiffbau Zeppelin, Maybach  Motorenbau und Zahnradfabrik Friedrichshafen erstellt. Die  Lebensbedingungen in diesen Barackenlagern waren schlecht bis  katastrophal, es galten weder arbeitsrechtliche noch hygienische  Vorkehrungen; Verstöße oder gar Aufbegehren wurden hart, bis hin zur  Todesstrafe, geahndet.


Text: J. Oellers


Literatur: Christa Tholander: Fremdarbeiter 1939-1945:  Ausländische Arbeitskräfte in der Zeppelin-Stadt Friedrichshafen, Essen  2001.



Friedrichshafen-Raderach: KZ-Außenlager Dachau, an der Kreisstraße 7742

Ab September 1941 verhandelten die Firma Luftschiffbau Zeppelin in  Friedrichshafen und der Stab des Ingenieurs Wernher von Braun  (Peenemünde) über Produktionsstätten für Fertigungsteile der Rakete  „Aggregat 4“ (A 4). In diesem Zusammenhang wurde eine Abnahmestelle für  Raketentriebwerke und bis Oktober 1942 das dazu gehörige Barackenlager  bzw. spätere Konzentrationslager (KZ) bei Oberraderach auf der Gemarkung  Brunnhalden-Sumpfwiesen von vorwiegend sowjetischen Zwangsarbeitern  erbaut. Das Lager war für rund 2 000 Arbeitskräfte ausgelegt; auch  Gebäude für deutsche Ingenieure und Facharbeiter wurden errichtet. 1943  nahm der Luftschiffbau Zeppelin die Halbschalen-Produktion auf, wobei  die Luftschiffhalle auf dem Flughafen Löwental abgebaut und am Nordrand  des Zeppelin-Werftgeländes in veränderter Form wieder aufgebaut wurde.  Ab Sommer 1943 produzierten über 1 200 Häftlinge aus dem KZ Dachau die  Halbschalen der A 4. Die Häftlinge waren in einem durch elektrische  Zäune abgetrennten Teil des Lagers Don oberhalb des Werftgeländes  untergebracht. Als nach dem Luftangriff vom 20. Juli 1944 das  KZ-Außenlager Dachau in Friedrichshafen aufgelöst wurde, kamen für kurze  Zeit 300-600 Häftlinge nach Oberraderach, um weiterhin in  Friedrichshafen für den Luftschiffbau Zeppelin zu arbeiten. Mit der  Teuringertal-Bahn wurden sie bis Meistershofen gebracht und gelangten  dann in Fußmärschen zu den Einsatzstellen, um zusätzlich für  Räumungsarbeiten und zur Minensuche eingesetzt zu werden. Ab September  1944 wurde ein Teil der Häftlinge beim Stollenbau in Überlingen-  Goldbach zur Verlagerung der Rüstungsfirmen Dornier Metallbauten,  Luftschiffbau Zeppelin, Maybach Motorenbau und Zahnradfabrik  Friedrichshafen unter noch härteren Bedingungen eingesetzt. Bei der  Schließung des Lagers Oberraderach im September 1944 wurden insgesamt  762 Häftlinge über Dachau in andere Konzentrationslager verbracht.


Text: J. Oellers


Literatur: Raimund Hug-Biegelmann: Friedrichshafen und die  Wunderwaffe V2: Das ehemalige Wehrmachtsgelände bei Raderach und die  Luftschiffbau Zeppelin GmbH, in: Leben am See XI, 1994, S. 302-316.



Stolperstein für Elsa Hammer 

Die Nationalsozialisten bezeichneten  Friedrichshafen schon 1933 als eine der ersten „judenfreien“ Gemeinden  in Württemberg. 1937 wurde der eigenständige Ort Schnetzenhausen nach  Friedrichshafen eingemeindet. Damit wurde der bei Dornier angestellte  Oberingenieur Karl Hammer aus dem Teilort Fischbach mit seiner aus  jüdischem Elternhaus stammenden Ehefrau Elsa, geborene Fellheimer,  Friedrichshafener Neubürger. Elsa Hammer wurde am 1. Dezember 1884 in  Göppingen geboren. Zeitzeugen erinnern sich an die menschenfreundliche  Einstellung der Familie Hammer. Karl Hammer konnte, solange er lebte,  Anfeindungen gegenüber seiner Frau abwehren, was nicht zuletzt an seiner  leitenden Funktion bei einem der wichtigsten Rüstungsproduzenten der  Region lag. Als er aber nach kurzer Krankheit am 21. Juni 1943 plötzlich  verstarb, stand seine Frau Elsa schutzlos da und kaum jemand konnte  oder wollte ihr beistehen. Schon bald heftete der SS-Mann Hubert Jeuck  einen gelben Judenstern an die Gartentüre der Hammers. Damit begann für  Elsa Hammer eine regelrechte Menschenjagd, der sie nichts entgegensetzen  konnte. Eine Augenzeugin berichtet, dass Elsa Hammer von vier SS- oder  SA-Leuten aus ihrem Wohnhaus in der Friedrichshafener Straße 38 in  Fischbach unter beschämenden Bedingungen abgeholt wurde. Mit großer  Wahrscheinlichkeit wurde sie am 14. September 1943 von Stuttgart in das  Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert und am 24.  September 1943 durch Giftgas ermordet; offiziell hieß es, dass sie an  Herzversagen gestorben sei.

Am 9. September 2013 konnte der Geschichtsverein Fischbach durch den  Kölner Künstler Gunter Demnig einen Stolperstein für Elsa Hammer vor  ihrem ehemaligen Wohnsitz in der heutigen Zeppelinstraße 275 setzen.  


Foto: M. Boon (E. Hammer)


Text: Text: Jürgen Oellers / Edgar Thelen


Literatur: Jürgen Oellers: Verfolgung: Das Schicksal von Elsa  Hammer, in: 52 Stadtgeschichten aus der Serie der Schwäbischen Zeitung  zum Friedrichshafener Stadtjubiläum 2011, Friedrichshafen 2012, S. 123  f. (Schriftenreihe des Stadtarchivs Friedrichshafen; Bd. 8)

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