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Bad Saulgau


| KZ-Außenlager | Lynchmord am Haidemer Stöckle | Josef Ruf


 | KZ-Außenlager  | Lynchmord am Haidemer Stöckle | Josef Ruf

KZ-Außenlager


Foto: Janine Lehleiter/Privat
Foto: Janine Lehleiter/Privat

Nach den verheerenden Luftangriffen auf  Friedrichshafen entschloss sich das Heereswaffenamt, die Produktion der  Halbschalen für die Fernrakete V2 von der Firma Luftschiffbau Zeppelin  am Bodensee in das weniger gefährdete Saulgau zu verlegen. Die Arbeit  hatten KZHäftlinge aus Dachau zu übernehmen, von denen Mitte August 1943  die ersten in Saulgau eintrafen. Die streng geheime Produktion lief  Anfang Januar 1944 an und endete im März 1945. In Saulgau wurde etwa die  Hälfte aller Halbschalen für die V2 produziert. Das Rüstungskommando  Ulm beschlagnahmte für die Raketen-Fertigung die am Ortsausgang in  Richtung Ravensburg neu erbaute Mähbinderhalle der Firma Bautz. Neben  der Fabrikhalle entstand ein Wohnlager, in dessen vier Baracken  zeitweise bis zu 400 KZ-Häftlinge ein elendes Dasein fristeten. Den  furchtbaren Arbeits- und Wohnbedingungen fielen in Saulgau insgesamt 43  Häftlinge zum Opfer, davon ab dem 5. April 1945 allein 37 Häftlinge  eines Transports vom Außenlager Überlingen.


Foto: Privatarchiv Wolfgang Marcus
Foto: Privatarchiv Wolfgang Marcus

Der Einmarsch der  Panzertruppen der Ersten Französischen Armee am 22. April 1945 brachte  den KZ-Häftlingen in Saulgau die Freiheit. Eine Woche später ließ der  frühere Lagerarzt Dr. Ivan Matijasic mit Zustimmung des französischen  Stadtkommandanten die Häftlingsbaracken wegen Typhusgefahr abbrennen.  Seit dem Frühjahr 2005 erinnert auf dem früheren Lagergelände eine Stele mit Gedenkstein an das Saulgauer KZ-Außenlager und seine Opfer.


Text: G. Metzler


Literatur: Georg Metzler: „Geheime Kommandosache“. Raketenrüstung  in Oberschwaben. Das Außenlager Saulgau und die V2 (1943–1945).  Bergatreute 1996.




Die Geschichte des Mahnmals in Bad Saulgau


1945: die Häftlingsbaracken wurden wegen Typhusgefahr abgebrannt. 
Ein neu geschaffener Gedenkstein vor dem Bürgertreff gegenüber des Bahnhofes in Bad Saulgau bildet zur Stele auf dem Friedhof eine geistige Brücke des Gedenkens, Erinnerns und Verstehens | Foto: Gertrud Graf/Eugen Michelberger
Ein neu geschaffener Gedenkstein vor dem Bürgertreff gegenüber des Bahnhofes in Bad Saulgau bildet zur Stele auf dem Friedhof eine geistige Brücke des Gedenkens, Erinnerns und Verstehens | Foto: Gertrud Graf/Eugen Michelberger
2005: Ein Gedenkstein in Form einer Tafel und eine Stele am Rand des Kauflandparkplatzes (früher Landmaschinenfabrik Bautz/Claas) erinnert an das Lager und seine Opfer. Der Bildhauer Carl Schuhmacher schuf die Erinnerungszeichen. Die Stadträtin Doris Gaißmaier und Kulturamtsleiter Andreas Ruess hatten den Denkort initiiert.
2013: Das Handelsunternehmen Kaufland trat an die Firma Claas und an die Stadt heran, um einen Flächentausch zu erreichen. Dieser wurde genehmigt. Das Mahnmal wurde abgebaut und im städtischen Bauhof zwischengelagert.
2025: Die Stadt Bad Saulgau beschließt, die Stele auf dem Friedhof beim Kriegerdenkmal aufzustellen, den Gedenkstein als „großer Stolperstein“ auf städtischem Areal gegenüber dem Bahnhof anzubringen. Der Bildhauer Carl Schuhmacher stimmt zu. Stein und Stele erhalten neue Bronzeplatten mit aktualisierten Texten.
22. April 2025: Der Gedenkstein ist als „großer Stolperstein“ gegenüber dem Bahnhof gesetzt. Er soll Touristen und Einheimische zum Nachdenken anregen.
22. April 2025: um 18 Uhr beginnt gegenüber vom Bahnhof ein gemeinsamer Gang in Stille hinüber zu jenem Ort, an dem sich das KZ-Außenlager befunden hat. Um 18.15 Uhr läuten die Glocken beider christlichen Kirchen.
Maria Gelder, Leiterin des Stadtarchivs: „Der Gang in Stille ist eine Gelegenheit, zusammenzukommen und innezuhalten, um der Opfer des NS-Regimes und des Außenlagers Saulgau zu gedenken. Indem wir den Weg der Häftlinge zum ehemaligen Standort der Baracken gehen, werden wir uns der Geschichte bewusst und stehen für Toleranz, Respekt und Menschlichkeit ein.“ 

 


Lynchmord am Haidemer Stöckle


Am 9. August 1944 geschah am sogenannten  „Haidemer Stöckle“, einem Waldstück zwischen Haid, Bogenweiler und  Saulgau, eine der zahllosen kleineren Tragödien des 2. Weltkriegs: Der  22jährige amerikanische Oberleutnant Theodore Nielsen wurde von einem  SS-Offizier erbarmungslos niedergeschossen.

Theodore Nielsen war auf dem Rückflug eines Einsatzes mit einem  Bombergeschwader von München, als er in der Nähe von Kaufbeuren von  einer Flak getroffen wird. Seine Maschine fängt Feuer, und Nielsen  gelingt es, sich rechtzeitig vor dem Absturz mit dem Fallschirm zu  retten. Widerstandslos ergibt er sich den herbeigeeilten Saulgauer  Bürgern, als wenig später ein SS-Offizier in Zivil in Begleitung zweier  SA-Männer hinzukommen. Doch anstatt den Piloten gefangen zu nehmen,  zwingt der SS-Offizier die Saulgauer zum Verlassen des Geländes und  schießt den wehrlosen Soldaten kaltblütig aus nächster Nähe nieder.  Wenig später stirbt Theodore Nielsen im Saulgauer Krankenhaus.

1947 wird der Täter von einem US-Militärgericht zu lebenslanger Haft  verurteilt, aus der er wegen guter Führung und aus gesundheitlichen  Gründen 1957 entlassen wird. Seit 2004, dem 60. Jahrestages des  Geschehens, erinnert ein Gedenkstein an den „Mord am Haidemer Stöckle“.


Text: G. Anderson †


Literatur: Gary Anderson: Lynchjustiz gegen alliierte Piloten.  Drei Fälle aus dem Bodenseeraum 1944/45. In: E. E. Weber, Opfer des  Unrechts. Stigmatisierung, Verfolgung und Vernichtung von Gegnern durch  die NS-Gewaltherrschaft an Fallbespielen aus Oberschwaben. Stuttgart  2009, S. 269-289


Josef Ruf (Hochberg)


Vehement wehrte sich sein Vater gegen seine  Absicht, den Kriegsdienst zu verweigern. Und sein Bruder Karl, damals  ein überzeugter Nationalsozialist, sah in dieser Verweigerung nur einen  „unverständlichen religiösen Wahn“. Doch Josef blieb seiner Haltung  treu: „Ich kann den Waffendienst mit der Lehre Christi einfach nicht  vereinbaren, und fühle mich verpflichtet, unter allen Umständen auch  danach zu handeln.“

Josef Ruf ist am 15. Dezember 1905 in Hochberg bei Saulgau geboren.  Nach der Volksschule absolvierte er eine Schneiderlehre und schloss sich  1925 dem Franziskanerorden an. Jedoch verließ er diesen Orden wieder  und trat 1933 der Christkönigsgesellschaft in Meitingen bei, einer  Gründung des Ökumenikers und pazifistisch engagierten Priesters Max  Josef Metzger (1887-1944). 1938 kam Ruf zur Betreuung der Wallfahrer  nach St. Ulrich bei Graz, wo er Michael Lerpscher (1905-1940)  kennenlernte, der ebenfalls den Kriegsdienst verweigerte und  hingerichtet wurde. 1940 folgte Ruf der Einberufung zur Wehrmacht und  erklärte sich bereit zum Sanitätsdienst, verweigerte jedoch den Eid auf  Hitler. Nach Inhaftierungen in Graz und Berlin wurde er am 14. September  1940 vom Reichskriegsgericht wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode  verurteilt. Am 10. Oktober wurde er durch das Fallbeil im Zuchthaus  Brandenburg-Görden hingerichtet.

1992 errichtete seine Heimatgemeinde auf Anregung der katholischen  Friedensbewegung Pax Christi einen Gedenkstein für Josef Ruf. Er trägt  die Inschrift: „Zum ehrenden Gedenken/Josef Ruf/geb. 15.12.1905/für  Frieden/ eingetreten/durch Gewalt/gest.10.10.1940.“


Text: H. Kurz


Literatur: Helmut Kurz / Christian Turrey, „Um dem Willen Gottes  gerecht zu werden“. Das Martyrium des Kriegsdienstverweigerers Josef  Ruf, 2. Aufl. Rottenburg 2008.

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