Pfullendorf
Jan Kobus – ein Kriegsgefangener und Opfer der der Polenerlasse - 1941 hingerichtet in Pfullendorf

Jan Kobus war 26 Jahre alt, ledig, kath., stammte aus Wloclawek, Kreis Wloclawek [Leslau], einer polnische Großstadt in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern an der Weichsel, rund 90 km südöstlich von Bydgoszcz und 50 km südöstlich von Toruń, 140 km nordwestlich der polnischen Hauptstadt Warschau. Mit seinem Freund Tuzek war er aus dem Kriegsgefangenenlager Stalg V A bei Schwabach/Ludwigsburg nach Ruschweiler deportiert worden.

Dort wurde er dem Bauern August Gebert als Zwangsarbeiter übergeben. Er hatte vom 11. Dezember 1939 bis 11. April 1940 eine Beziehung mit Paula F., die beim Nachbarbauern Martin Huber als Magd diente. Paula war im neunten Monat schwanger als die beiden denunziert wurden.
Jan Kobus konnte fliehen. Ende November 1940 wurde er von der Gestapo in Heilbronn verhaftet. Eine Zeit lang war er im Gerichtsgefängnis Heilbronn inhaftiert. Hingerichtet wurde er am 5. April 1941 im Gewann „Sieben Linden“ in Pfullendorf, nicht in Ruschweiler. Pfullendorf war Zentralort des Oberen Linzgaus. Dort konnten möglichst viele polnische Zwangsarbeiter aus der Region zur Teilnahme an der Hinrichtung versammelt werden.
Als treibende Kraft für das Aufspüren und die Verhaftung des Geflüchteten sowie dessen Exekution gilt laut Zeitzeugen der Apotheker Gustav Ruck aus Pfullendorf. Er war in der NS Zeit als Mittelsmann des Sicherheitsdienstes SD [Geheimdienst der SS] für den Bezirk Pfullendorf zuständig und war sehr darauf bedacht, seine Karriere zu fördern. Er arbeitete eng zusammen mit dem damaligen Bürgermeister und fanatischen Nationalsozialisten Josef Weißhaupt, der von der Partei schließlich wieder aus dem Rathaus entfernt wurde, weil er zu radikal agierte. Die Hinrichtung von Jan Kobus sollte eigentlich an einem Birnbaum vor dem Gasthaus „Mohren“ stattfinden. Der damalige Wirt wehrte sich dagegen. Er drohte, den Baum in der Nacht abzusägen. Ein neuer Exekutionsplatz musste deshalb bestimmt werden. Seine Leiche wurde an die Anatomie in Freiburg überstellt. Die Urne mit der Nummer 1188 wurde später auf dem Friedhof in Konstanz beigesetzt.
In Pfullendorf stellten ehemalige polnischen Zwangsarbeiter sofort nach Kriegsende einen Gedenkstein für Jan Kobus bei den „Sieben Linden auf, dem Platz, an dem Jan Kobus erhängt wurde. Der Stein mit einer Inschrift in Deutsch, Französisch und Polnisch, gestaltet von einem polnischen Steinmetz, wurde 1962/1963 in den alten Friedhof von Pfullendorf umgesetzt.
Seit 2005 erinnert zusätzlich ein Stolperstein an Jan Kobus, zu finden an der Ecke Mühlsteige/ zum Eichberg.

Im Januar 2014 wandten sich drei junge Frauen an Dr. Edwin Ernst Weber, Kreisarchivar in Sigmaringen, mit der Bitte um Auskunft und Akteneinsicht. In einer Veröffentlichung des Denkstättenkuratoriums NS Dokumentation Oberschwaben waren sie auf das Schicksal von Jan Kobus gestoßen und vermuteten, sie könnten seine Enkelinnen sein. Es stellte sich heraus, dass die Großmutter der Frauen, Paula F., tatsächlich die Freundin von Jan Kobus war.
Paula war in 1921 in Ostrach geboren worden. Ihr Vater, war Arbeiter. 1940 arbeitete Paula als Dienstmagd bei Martin Huber in Ruschweiler.Sie lernte den Kriegsgefangenen Jan Kobus kennen, der dem Nachbarbauern August Gebert als Zwangsarbeiter zugeteilt war. In der Zeit vom 11. Dezember 1939 bis 11. April 1940 hatte sie mit ihm eine Beziehung. Ende Oktober 1940 wurden Paula und Jan denunziert.
Bei ihrer Verhaftung am 30. Oktober 1941 war Paula bereits im neunten Monat schwanger. Sie wurde ins Landgerichtsgefängnis Konstanz gebracht. Dort gebar sie ein Mädchen und nannte es Rosa. Die Bezirksfürsorge Konstanz übernahm am 4. November 1940 die Vormundschaft des Kin- des. Am 16. Januar 1941 ging die Verantwortung an das Kreisjugendamt Sigmaringen über. Rosa wuchs bei ihrer Oma mütterlicherseits auf. Paula zog am 7. September 1946 nach Groß Schonach bei Überlingen um und arbeitete dort
als Hausangestellte. Am 10. Januar 1950 heiratete sie. Das Ehepaar lebte von da an in Singen.
Nach all den Demütigungen, Ächtungen, die Ihr widerfahren waren, war Paula nie in der Lage eine Beziehung zu ihrer Tochter Rosa aufbauen. Sie blieb gegenüber Rosa lebenslang völlig distanziert. Fragen nach dem Vater wies sie immer ab.
Erst nach dem Tod von Paula im November 1913 fanden die Enkelinnen die Spur ihres Großvaters und die Erklärung für das abweisende Verhalten ihrer Oma Paula. Verwandte zeigten ihnen den Gedenkstein für Jan Kobus auf dem Friedhof in Pfullendorf. Nach der Akteneinsicht im Kreisarchiv Sigmaringen empfanden es die drei jungen Frauen als befreiend, endlich Klarheit über die Umstände ihrer Herkunft erhalten zu haben.
Quellen:
°Amtsvormundschaftsakte der Tochter von Jan Kobus, Signatur II/1 Nr.788, Kreisarchiv Sigmaringen
°Edwin Ernst Weber: Von der Diktatur zur Besatzung. Das Kriegsende 1945 im Gebiet des heutigen Landkreises Sigmaringen. Das Kriegsende in der Stadt Pfullendorf und Umgebung. Sigmaringen 1995, S. 219 – 225
°Edwin Ernst Weber: Von den Schwierigkeiten des Erinnerns, Zeitschrift Ulm und Oberschwaben Band 61, 2019, S. 394;
°https://www.dsk-nsdoku-oberschwaben.de/erinnerungswege/bodenseekreis-und-
sigmaringen/pfullendorf-gedenkstaetten-fuer-jan-kobus
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