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Hohenems

Jüdisches Museum | Jüdisches Viertel und Jüdischer Friedhof |
Paul-Grüninger-Brücke |Denkmal Euthanasie und Verfolgung

 Jüdisches Museum | Jüdisches Viertel und Jüdischer Friedhof |
Paul-Grüninger-Brücke |Denkmal Euthanasie und Verfolgung

 Jüdisches Museum 


Eingerichtet in der 1864 erbauten Villa  Heimann-Rosenthal spannt das Jüdische Museum Hohenems den Bogen vom 17.  Jahrhundert bis in die Gegenwart, von der unsicheren Existenz der  „Schutzjuden“ über religiöses Leben und bürgerliche Emanzipation bis zur  Verfolgung, Flucht und Vernichtung im Nationalsozialismus. Individuelle  Lebensgeschichten und Objekte erzählen von einem Leben zwischen  Migration und Heimat, Tradition und Veränderung – vom lokalen  Gemeindeleben zur Hohenemser Diaspora in aller Welt von heute. Das  Museum bietet mehrsprachige Audio-Guides und Videoterminals. Eine  Kinderausstellung mit Geschichten von Monika Helfer und Schattenbildern  von Barbara Steinitz wartet auf junge Besucher ab 6 Jahren.

Das Jüdische Museum wird von der Stadt Hohenems, dem Land Vorarlberg,  dem Verein zur Förderung des Jüdischen Museums Hohenems getragen und  von der Republik Österreich, den American Friends of the Jewish Museum  Hohenems und zahlreichen Förderern und Sponsoren unterstützt.

Text: H. Loewy



Jüdisches Viertel und Jüdischer Friedhof 


Wo einstmals die Israelitengasse und die  Christengasse aufeinander trafen, ist ein im Alpenraum einzigartiges  Ensemble erhalten: das Jüdische Viertel mit seiner ehemaligen Synagoge,  der jüdischen Schule und Mikwe, den Häusern der wohlhabenden Hoffaktoren  wie der armen Hausierer, Handwerker und Dienstboten, dem früheren  Kaffeehaus Kitzinger und den Villen der Fabrikantenfamilien, wird seit  Jahren schrittweise restauriert. Vor den Toren der Stadt ist der seit  1617 angelegte Jüdische Friedhof bis heute erhalten und kann besichtigt  werden.

Mehr als nur ein Ausstellungsbesuch: Das Museum bietet  Gruppenführungen durch die Ausstellung, durch das jüdische Hohenems und  zum jüdischen Friedhof nach Voranmeldung. Im Museumscafé  Lesegesellschaft werden die Besucher mit jüdischem Hochzeitskuchen und  Kaffee, Bagels und koscherem Wein verwöhnt – im Sommer auch draußen im  Garten.


Text: H. Loewy


Literatur: Heimat Diaspora : Das Jüdische Museum Hohenems.  Katalog zur Dauerausstellung des Jüd.Museums Hohenems, Hg. Hanno Loewy,  Hohenems, Bucher Verlag, 2008; Edition Museumstexte 03: Das Jüdische  Viertel. Ein Rundgang durch Hohenems, Hg. Jüd. Museum Hohenems, Bucher  Verlag, 2011.



Paul-Grüninger-Brücke 


In Diepoldsau, auf der Brücke zwischen Österreich  und der Schweiz, wird seit 2012 an den einstigen St. Galler  Polizeikommandanten Paul Grüninger erinnert: Hauptmann Grüninger  (1891–1972) rettete in den Jahren 1938 und 1939 einige hundert,  vielleicht mehrere tausend jüdische und andere Flüchtlinge vor der  nationalsozialistischen Verfolgung und Vernichtung. Trotz  schweizerischer Grenzsperre nahm er sie im Kanton St. Gallen auf,  missachtete die Weisungen des Bundes und übertrat auch Gesetze, um die  Flüchtlinge zu schützen. In Diepoldsau, wo die meisten jüdischen  Flüchtlinge über die Grenze kamen, wurde für sie ein Auffanglager  eingerichtet. Viele reisten später weiter und überlebten in der Schweiz,  in Frankreich, in England, im damaligen Palästina oder in Amerika. Auf  Betreiben der Eidgenössischen Fremdenpolizei wurde Paul Grüninger im  Frühjahr 1939 von der St. Galler Regierung fristlos entlassen. 1940  verurteilte ihn das Bezirksgericht St. Gallen wegen  Amtspflichtverletzung und Urkundenfälschung. Grüninger wurde verfemt und  bald vergessen; mit seiner Frau lebte er lange Zeit in bitterer Armut.  Erst ab 1968 gab es wieder Stimmen, die öffentlich für Paul Grüninger  eintraten. Rufe nach einer Rehabilitation wurden laut, Yad Vashem in  Israel zeichnete den St. Galler Polizeihauptmann als «Gerechten» aus.  Wenige Monate vor seinem Tod erklärte Paul Grüninger auf die Frage eines  Reporters, er würde in der selben Situation genau das gleiche noch  einmal tun. Paul Grüninger starb – in der Welt bereits hochgeachtet,  aber in St. Gallen nicht rehabilitiert – im Februar 1972 im Rheintaler  Dorf Au, wo er die letzten Jahrzehnte in der Nähe seiner Tochter gewohnt  hatte.


Text: S. Keller


Denkmal Euthanasie und Verfolgung


Ort: Garten des Landeskrankenhauses Hohenems, Kreuzung Bahnhofstraße und Kaiserin-Elisabeth-Straße


Eröffnung: Das Denkmal wurde am Mittwoch, dem 27. November 2019, um 11.30 Uhr mit einem Festakt direkt vor Ort im Freien eröffnet.


Zwischen 1934 und 1945 wurden in NS-Deutschland und in NS-Österreich  zwischen 70.000 und 100.000 Menschen mit Behinderungen in verschiedenen  Institutionen ermordet, die teils als „Heil- und Pflegeanstalten“  bezeichnet waren. Rund 400.000 Personen wurden Zwangssterilisierungen  unterzogen. Mindestens zehn Hohenemser Bürger wurden im Zuge des  Euthanasie-Programms ermordet. Ihre Biographien sind exemplarisch für  die Schicksale vieler, die in den Blickpunkt der NS-Euthanasie geraten  waren. Das Programm traf Menschen verschiedenster sozialer Schichten,  egal, ob sie aus armen, sozial vernachlässigten oder angesehenen,  reichen Familien stammten: Personen, die von Geburt an unter  Beeinträchtigungen litten, ebenso wie Veteranen, die im Ersten Weltkrieg  psychische Folgeschäden davongetragen hatten. Dies wird in der  Gegenwartsgesellschaft nicht oft thematisiert, in Hohenems aber nun  ergänzend zu den „Stolpersteinen“ aufgegriffen, die seit 2014 der  Erinnerung an die jüdischen Opfer der NS-Diktatur gewidmet sind.

Bildhauer Udo Rabensteiner hat ein Denkmal gefertigt, das etwa 175  Zentimeter im Quadrat bei einer Höhe von etwa 30 Zentimetern umfasst.  Ein Riss durchzieht eine Platte aus Schwarzachtobler Quarzsandstein und  teilt sie in fünf Elemente. Eines dieser Steinelemente trägt die  Inschrift „Im Gedenken an die Hohenemser Opfer der  nationalsozialistischen Euthanasie und Verfolgung“. Dieser Riss  symbolisiert, wie einst Familien gewaltsam auseinandergerissen wurden  und selbst die heutige Gesellschaft noch eine sichtbare Bruchlinie  durchzieht. Das Denkmal ist ein Erinnerungsort und will dennoch auch  einen optimistischen Ausblick geben: Erde und Blütenstaub werden im  Laufe der Jahre den Riss zwischen den Steinelementen schließen.

Das Projekt wird wissenschaftlich vom Historiker Wolfgang Weber  begleitet. Weber, Past-Präsident der Lions Hohenems – der Club hatte  sich im Sinne der Statuten der Lions Bewegung für das Denkmal eingesetzt  – forscht seit Jahren zur Euthanasie der NS-Diktatur. Als  Gründungsmitglied des Vorarlberger Monitoringausschusses, der die  staatliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention begleitet,  beschäftigt er sich auch mit Fragen der Rechte von Menschen mit  Behinderungen in der Gegenwart. Mit dem Landeskrankenhaus Hohenems fand  die Stadt einen Partner für einen passenden, symbolischen  Aufstellungsort eines solchen Denkmals. Es wird im Garten des  Landeskrankenhauses zu finden sein, direkt an der Kreuzung zwischen  Bahnhofstraße und Kaiserin-Elisabeth-Straße. Das Krankenhaus ist ein Ort  des Heilens und der Pflege von hilfsbedürftigen Menschen. Zumindest  eines der Hohenemser NS-Euthanasieopfer war jedoch von dieser Stelle  aus, vom einstigen Altersheim über die Rankweiler Valduna in den Tod  geschickt worden.

Auf dem Denkmal selbst sind keine Namen vermerkt. Es steht  stellvertretend für die infolge der NS-Euthanasie Ermordeten, die bis  heute unbekannte Anzahl von u. a. vom Feldkircher Amtsarzt  sanktionierten Zwangssterilisierungen und Zwangsabtreibungen bei  Menschen mit Behinderungen, aber auch alle weiteren Opfer  nationalsozialistischer Verfolgung.

Die derzeit bekannten Namen der Opfer der NS-Euthanasie sind auf der  Website der Stadt Hohenems unter www.hohenems.at/euthanasiedenkmal  abrufbar und können laufend um neue biographische Erkenntnisse der  NS-Verfolgung ergänzt werden. Derzeit sind die Vornamen und Lebensdaten  jener Hohenemser Menschen mit Behinderungen genannt, welche in  NS-Tötungsanstalten umgebracht wurden und welche die NS-Euthanasie  überlebten. Ergänzend wird auf Opfer der politischen Verfolgung der  NS-Diktatur verwiesen, welche bis jetzt von der Forschung noch nicht  genannt wurden, so z. B. den 36-jährigen Hilfsarbeiter Heinrich, der im  KZ Oranienburg zu Tode kam.

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